Der Dreizonengarten

Brief von Siedlerfreundin Sabrina Hoffmann zum Thema ökologischer Garten, den wir hier mit ihrer Erlaubnis abdrucken dürfen:

Ich habe im letzten Rundbrief gelesen, dass noch Ideen gesucht werden, wie unsere Siedlung ökologischer werden kann. Da dies ein Thema ist, welches mir am Herzen liegt, möchte ich hierzu gerne etwas einbringen. Mir hat das Drei-Zonen-Konzept von Markus Gastl sehr geholfen. Es hat mir in vielen Bereichen die Augen geöffnet. Dabei ist es sehr einfach und auf alle bestehenden Gärten Schritt für Schritt anzupassen. Es hat auch schon einige Preise gewonnen, zum Beispiel wurde letztes Jahr von der „UN Dekade Biologische Vielfalt“ als „herausragendes Projekt“ ausgezeichnet. Daher möchte ich es kurz vorstellen und ein paar meiner Aha-Momente teilen. Ich kann mir vorstellen, dass es einen guten Anstoß in diesem Themenfeld geben kann.

Die drei Zonen sind ein Modell, das jeden Gartenbesitzer dabei unterstützt, den Garten ökologisch zum Besseren zu verändern, von Monotonie zu Vielfalt, und ihm aber die Freiheit lässt, es auf die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort anzupassen und einen organischen Kreislauf zu schaffen. Es gilt das Prinzip: Vielfalt, Schönheit und Nutzen, um einen Garten für die Natur und den Menschen zu schaffen.

Pufferzone :

Die Pufferzone umgibt den Garten und grenzt ihn nach außen hin durch eine ein- oder mehrreihige Hecke aus einheimischen Sträuchern ab. Zusätzliche Naturmodule wie Reisighaufen, Totholzstämme, Steinhaufen und Sandhügel schaffen weiteren Lebensraum, der vielen Tieren Schutz und Nahrung bietet.

Ertragszone :

Hier wird auf humosen Böden Gemüse und Obst gepflanzt oder angebaut. Die Qualität des Bodens wird beständig verbessert durch die Zufuhr von organischem Material, welches aus der Hotspot-Zone entfernt werden muss.

Hotspot Zone :

Und dann gibt es noch – und das ist anders als bei allen anderen Gartenkonzepten – die Hotspot-Zone. Mit mageren oder abgemagerten Böden ermöglichen sie erst das Wachstum der Vielfalt der einheimischen Blumen und Kräuter. Hier leben das Gros der einheimischen Insekten, die wiederum Nahrung vieler anderer Tiere sind. Sie zeichnet sich durch eine besonders hohe Artenzahl von Tieren und Pflanzen aus. Diese an einheimischen Blüten reiche Zone, kann mit Steingartenanlagen, Sandarien, Sumpfbereichen oder Teichen (je nach Möglichkeit im eigenen Garten) ergänzt werden, um hier für Insekten, Vögel, Reptilien und Amphibien neue Lebens- und Bruträume zu schaffen.

Nach dem Anlegen eines 3-Zonen-Gartens entsteht ein ökologischer Kreislauf. Es muss kein Dünger mehr zugekauft werden, Erde bildet sich neu, die Biotonne oder die Grüngutsammelstelle wird nicht mehr benötigt. Pflanzenschutzmittel, Pestizide, Chemie, Schneckenkorn und Dünger werden in einem Hortus nicht eingesetzt. Das (Garten-)System erhält sich selbst.

Wir sehen Insekten und Schmetterlinge in unseren Gärten und denken, hier bei uns in der Siedlung ist noch alles in Ordnung. Aber wenn wir mal nachdenken: Wie viele VERSCHIEDENE Schmetterlinge sehen wir zum Beispiel in unseren Gärten? In Deutschland gibt es 175 verschiedene Tagfalterarten! Ich bin mir sicher, dass wir nur einen Bruchteil, einen winzig kleinen Bruchteil, dieser Schmetterlingsarten bei uns sehen können. Und mit allen anderen Insekten, Reptilien oder Säugetieren sieht es ähnlich aus.

Vielfalt ist das Gegenteil von Monotonie. Monotonie herrscht in Gärten vor, wo nur Rasen, Sträucher (oft nicht einheimisch) und Thujen vorherrschen und als Tiere hauptsächlich Ameisen vorhanden sind. Diese Gewächse und Tiere stehen jedoch in keinerlei Beziehung zueinander, da sie aus verschiedenen Regionen stammen. Es gibt kaum Vernetzung zwischen ihnen. Vielfalt jedoch besteht dann, wenn es eine Blumenwiese, Totholz und einheimische Sträucher gibt – denn diese stehen in vielfältiger Beziehung zueinander durch Käfer, Schmetterlinge, Ameisen, Vögel und andere Insekten. Der englische Rasen ist in sich geschlossen, er bietet kein System und hat keinerlei Beziehung zu einem anderen Gartenteil. Weder zu Pflanzen noch zu Tieren. Nicht heimische Pflanzen haben oft keinen oder nur einen geringen Nutzen für die heimische Tierwelt.

Es gibt in Deutschland 4500 einheimische Pflanzen. Wie viele dieser Pflanzen finden wir in unseren Gärten? Wir finden meist nur ein Grundsortiment von etwa 60 fremdländischen Pflanzen (Thuja, Geranien, Petunien, Rhododendron, Forsythien, Rotbuche, usw.) welche den einheimischen Lebewesen keine Nahrung bieten. Als ich unseren Garten übernommen habe dachte ich noch, ein Garten voller Blumen ist automatisch auch gut für unsere Insektenwelt. Heute weiß ich, dass eine ganze Menge dieser „Standartblumen“ den Insekten wenig oder gar keine Nahrung bieten. Und selbst wenn die ausländischen Pflanze Nektar bietet, so besteht immer noch das Problem, dass unsere hiesigen Insekten die einheimischen Pflanzen zur Eiablage, als Futterpflanze, u.v.m. benötigen. Was bringt den Insekten Nahrung in Form von Pollen, wenn sie sich gar nicht erst vermehren können, da ihnen ihre „Wirtspflanzen“ fehlen.

Mit einer bunten Blumenwiese, auf der Flockenblumen, Disteln, Kornblumen, Mohn und vieles mehr blühen dürfen, besteht eine vielfältige Beziehung zu Vögeln und Insekten. Vögel und Insekten verbreiten Samen und bestäuben Blüten, so stellt sich bald ein funktionierendes System ein.

Erst durch das Modell der 3 Zonen ist mir klar geworden, wie wichtig und grundlegend magere Flächen für unsere Natur sind. Auch wenn es vermutlich jedem Gärtner im ersten Moment widerstrebt Gartenboden gezielt weniger fruchtbar zu machen. Guter humoser Boden ist schließlich seit Jahrzehnten (vielleicht Jahrhunderten) das Ziel eines jeden Gärtners. Es soll Ertrag erwirtschaftet werden. Aber warum abmagern? Nun… Die vergangenen 50 Jahre hat unsere Landschaft fast 98% ihrer Hotspot Zonen verloren (durch Aufdüngung von mageren Flächen, um diese ertragreich zu machen, durch Aufforstung oder Bebauung). Diese mageren Flächen beherberg(t)en aber das Gros der einheimischen Blüten und somit der Insekten. Vor 50 Jahren war es daher noch nicht notwendig, Flächen im eigenen Garten gezielt abzumagern und somit entsprechende Standorte zu erschaffen. Heutzutage sieht das jedoch anders aus. Diese mageren Flächen gingen und gehen verloren und mit ihnen die Vielfalt der Pflanzen und Tiere die nur dort leben können.

Die meisten Insekten sind Spezialisten und brauchen ganz bestimmte ökologische Standorte. Diese Spezialisten unter den Pflanzen können sich jedoch auf unseren gehaltvollen Böden nicht gegen die Konkurrenz durchsetzten und werden verdrängt durch Löwenzahn, Ampfer, Giersch und was man sonst noch überall in rauen Mengen sehen kann. Aber grade diese einheimischen Pflanzen bilden die Lebensgrundlage für unsere Insektenwelt. Drei Viertel aller Lebewesen auf diesem Planeten sind Insekten. Und wir haben einen massiven Insektenschwund. Die Insekten wiederum bilden die Grundlage für alles weitere Leben. Unsere Vögel, Amphibien, Reptilien und damit auch alle anderen größeren Säugetiere leben direkt oder indirekt von Insekten.

Die liebevoll und mühsam angelegte Wiese mit Nahrungspflanzen für Bienen kann sich jedoch nicht dauerhaft halten (oder gar nicht erst entwickeln), wenn nicht zuvor der Mutterboden abgetragen und mit Schotter oder Sand abgemagert wurde. Und dann im weiteren Verlauf diese Flächen 1 bis 2 mal jährlich gemäht werden und vor allem das Schnittgut abgetragen wird um die Fläche mager zu halten (und den Nährstoff in der Ertragszone wieder einzubringen).

Es gibt so viele kleine Dinge, in denen wir versuchen zu helfen, bei denen wir aber gar nicht wissen, was wirklich helfen würde. So stellen mittlerweile viele Menschen Insektenhotels auf, insbesondere für Wildbienen. Wie wir in der Siedlung ja auch. Das ist ganz wunderbar. Jedoch haben wir in Deutschland 550 verschiedene Wildbienenarten. Von diesen nehmen allerdings nur 30 Arten künstliche Nisthilfen an! An diesen gehen die Nisthilfen vollkommen vorbei, denn sie legen ihre Nester im Boden an. Sie brauchen also vegetationsarme Substrate (vor allem unterschiedliche Sande) um ihre Nisthöhlen selbst zu graben.

Auch war mir nicht klar, wie wichtig Totholz ist. Für Tausende von Insekten und andere wirbellose Tiere, für Pilze, Flechten, Moose und Algen ist Totholz Lebensraum und Nahrungsquelle zugleich. Ein Viertel all unser Deutschen Käferarten (6000 Arten) ernährt sich im Larvenstadium von Totholz! Neben Insekten und Pilzen finden sich jedoch auch viele Vögel, Eidechsen, Igel oder auch Blindschleichen in einem Totholzhaufen. Aufgrund der bis vor wenigen Jahren üblichen forstlichen Intensivnutzung ist Totholz in unseren Wirtschaftswäldern selten geworden. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Tier- und Pflanzenarten, die auf Totholz als Lebensraum angewiesen sind, vom Aussterben bedroht sind.

Mittlerweile gibt es über 300 private Gärten die offiziell nach den Prinzip des Drei-Zonen-Gartens gestaltet werden (und vermutlich noch viel mehr, die sich daran orientieren, allein die Facebookgruppe hat knapp 8.000 Mitglieder). Diese eingetragenen 300 Privatgärten haben mittlerweile eine Gesamtfläche von über 57 Hektar umgestaltet um sich so für bedrohte Tier- und Pflanzenarten in Deutschland und zu Europa engagieren. Teilweise halten die Mitglieder auch Vorträge, wobei die Verbreitung bei uns hier in Norddeutschland bisher noch nicht so groß ist.

Sehr hilfreich ist für den Anfang die Broschüre „Lebensraum Garten“ mit 20 Mini-Tipps, die den Einstieg in einen Naturgarten erleichtern sollen. Mit diesen können die ersten Naturmodule einfach integriert werden und sich der Hortus entwickeln. Dieses Frühjahr soll es noch einen zweiten Teil geben. Die Broschüre kostet ca. 4 €.

Liebe Grüße, Sabrina Hoffmann